Focus Tibet

Berichte zur Zerstörung des Klosters Larung Gar

Schwarzwälder Bote, Wochenend-Journal, 8.10.16, Klemens Ludwig –

Religionsfreiheit? Gilt nicht für Larung Gar!

Mit der Zerstörung von Tibets Vorzeigekloster bricht die Kommunistische Partei ihre Verfassung. Einige Nonnen ertragen die permanente Schikanierung nicht mehr und begehen sogar Selbstmord.

Der Weg zum buddhistischen Vorzeigekloster in den Bergen von Ost-Tibet ist mühsam, und das liegt nicht nur an den Straßenverhältnissen. Wobei es schon übertrieben ist, überhaupt von »Straßen« zu sprechen. Schotterpisten, deren Streckenführung für europäische Augen kaum zu erkennen ist, bestimmten das Bild, an eine reguläre Busverbindung ist nicht zu denken. Privat organisierte Kleinbusse führen die zahlreichen Gäste in halsbrecherischer Fahrt zu der berühmten Klosteruniversität Larung Gar.

Die Fahrt führt vorbei an hoch gelegenen Weiden, deren Grün sich bis zum Horizont erstreckt. Dort grasen Schafsherden und Yaks, die zähen tibetischen Hochlandrinder. Hin und wieder erscheinen die schwarzen Zelte der Nomaden, deren Zahl allerdings zusehends geringer wird, seit die Regierung der Volksrepublik China versucht, sie mit massivem Zwang sesshaft zu machen. Die Maßnahme wird mit Umweltschutzgründen gerechtfertigt, eine Überweidung der Höhenlagen müsse verhindert werden. Das Argument ist fragwürdig, denn die Nomaden leben seit vielen Jahrhunderten im Einklang mit der Natur. Offenbar geht es eher darum, das Nomadentum als Rückgrat der tibetischen Gesellschaft zu zerstören.

Auch Larung Gar war immer wieder Ziel staatlicher Zwangsmaßnahmen, erholte sich jedoch schnell davon. Der Anblick der Anlage ist überwältigend. Das Zentrum bildet eine riesige Versammlungshalle, die geistlichen wie weltlichen Zwecken dient. Neben Belehrungen und Ritualen nehmen Hunderte Mönche dort ihr gemeinsames Mittagsmahl ein, das in riesigen Töpfen angerichtet und verteilt wird. Es ist die letzte Mahlzeit am Tag, denn der Buddha gibt vor, bis zum Mittag alles erledigt zu haben, was dem körperlichen Wohle dient, um sich danach ganz der geistigen Erkenntnis
zu widmen.

Hinter der Versammlungshalle erstreckt sich die eigentliche Anlage mit kleinen Häusern aus Lehm, Steinen und Holz. Die meisten verfügen über sanitäre Einrichtungen und Strom. Außerhalb der eigentlichen Anlage bezeugen kleine Tschörten – eine Art buddhistische Heiligenhäuschen – und Gebetsfahnen die ungebrochene Religiosität der Menschen.

Ein durch eine weißgekalkte Mauer abgegrenztes Areal ist den Nonnen vorbehalten. Das Kloster ist zu einer wichtigen Ausbildungsstätte für Nonnen, aber auch zu einer Zufluchtsstätte für viele verwitwete, geschiedene oder behinderte tibetische Frauen geworden.

Das Bedürfnis nach Orientierung, Ethik und Spiritualität ist groß unter den Chinesen 10 000 Mönche und Nonnen leben in Larung Gar. Dessen Anziehungskraft reicht weit über den tibetischen Kulturkreis hinaus. Zahlreiche buddhistische Gläubige aus China, Taiwan, Hongkong, Singapur, Korea und anderswo finden den Weg dorthin. Das Bedürfnis nach Orientierung, Ethik und Spiritualität ist groß unter den Chinesen. Und dass Larung Gar darauf eine Antwort gibt, soll der Klosteruniversität nun zum Verhängnis werden.

Dabei ist Larung Gar Ärger durchaus gewohnt. Wie nahezu alle Tempel und Klöster war es nach dem Volksaufstand von 1959 dem Erdboden gleichgemacht worden. 1980 begann unter dem charismatischen Abt Khenpo Jigme Phuntsok der Wiederaufbau, und in den 90er-Jahren war es zu einer der bedeutendsten buddhistischen Ausbildungsstätten geworden. Bereits damals studierten dort 10 000 Mönche und Nonnen. Dazu kamen Tausende Laien, unter ihnen zahlreiche Chinesen, die ein ernsthaftes Interesse am Studium des tibetischen Buddhismus hatten. Der Ruf von Larung Gar verbreitete sich immer weiter in der chinesischen Welt – und blieb auch der Kommunistischen Partei nicht verborgen.

Im Frühsommer 2001 schlug sie zum ersten Mal zu: Sicherheitskräfte zerstörten einen großen Teil der Unterkünfte und Versammlungshallen. Sie zwangen Khenpo Jugme Phuntsok, das Kloster zu verlassen und nach Chengdu, der Hauptstadt der Provinz Sechuan, zu gehen. Die Höchstzahl der Mönche und Nonnen wurde auf 1400 festgesetzt.

Was dann geschah, übertraf die Vorstellungskraft der autoritätsfixierten KP-Funktionäre: Die gläubigen Buddhisten ließen sich von den staatlichen Zwangsmaßnahmen nicht einschüchtern und bauten in Eigenverantwortung die zerstörte Klosterstadt wieder auf. Khenpo Jugme Phuntsok kehrte nach einem Jahr heimlich zurück, und selbst als er am 6. Januar 2004 siebzigjährig an einem Herzinfarkt starb, bedeutete das nicht das Ende der Erfolgsgeschichte. Larung Gar wuchs weiter und übte eine ungebrochene Anziehungskraft auch auf Tausende chinesischer Buddhisten aus. Die Größe von 2001 war rasch wieder erreicht.

Lange schwieg die Kommunistische Partei (KP), auch wenn sie in der Entwicklung einen großen Affront sah. Und Larnug Gar erhielt sogar prominente Unterstützung. Der von China ernannte Panchen Lama – offiziell die Nummer zwei in der tibetischen Hierarchie nach dem Dalai Lama – setzte durch, dass die Lehranstalt den offiziellen Namen »Buddhistische Akademie Larung Metropolis« und damit Anerkennung und Schutz erhielt. Die Restriktionen der Behörden beschränkten sich jahrelang darauf, dem charismatischen Gründer sowie seinen Nachfolgern Vortragsreisen nach Europa, Nordamerika oder Indien zu verbieten.

Abrisskolonnen, flankiert von Sicherheitskräften, arbeiten offiziell aus Brandschutzgründen Nun geben die Behörden ihre Zurückhaltung auf. Die religiösen Impulse, die von Larung Gar in den gesamten chinesischen Machtbereich ausgehen, werden der atheistischen und allmächtigen KP zu gefährlich. Nach ihrem Verständnis sind Klosterbetriebe und sonstige religiöse Einrichtungen in erster Linie Ventil für Minderheiten, die in dem Rahmen ihre Eigenständigkeit ausleben können; natürlich unter permanenter Kontrolle des Ministeriums der Einheitsfront, das über alles wacht, das sich außerhalb der Partei bewegt. Es sorgt auch dafür, dass sich buddhistische Einrichtungen als Touristenattraktionen vermarkten lassen. Davon war Larung Gar immer weit entfernt.

Also holt die KP nun zum zweiten großen Schlag gegen Larung Gar aus: Abrisskolonnen, flankiert von Sicherheitskräften, sollen innerhalb eines Jahres, bis September 2017, das Kloster und seine Bewohner auf die Hälfte zurechtstutzen; offiziell aus Brandschutzgründen. Wäre das glaubwürdig, hätten die Behörden gemeinsam mit der Klosterleitung entsprechende Bestimmungen ausarbeiten können.

Die bekannte tibetische Autorin und Bloggerin Tsering Woeser hat am 20. Juli 2016 auf ihrer Facebookseite Aufnahmen veröffentlicht, die den Beginn der Abrissarbeiten von Mönchsklausen am Lehrinstitut zeigen. Demnach sollen bereits mehr als 600 Gebäude abgerissen worden sein. Auch die Vertreibung von Nonnen und Mönchen hat bereits begonnen. Um Nachrichten aus Larung Gar fernzuhalten, haben die chinesische Behörden Internet- und Telefonleitungen von dort unterbrochen.

Drei Nonnen begingen aus Verzweiflung über die Abrissarbeiten Selbstmord. In ihrem Abschiedsbrief schrieb eine von ihnen, Rinzin Dolma, dass sie den Schmerz durch die permanente Schikane gegenüber Buddhisten, die einfach nur friedlich in Larung Gar lernen wollen, nicht mehr ertragen könne. Um das Schweigen zu brechen, bittet die Tibet Initiative Deutschland in einer Petition Bundeskanzlerin Angela Merkel um Intervention bei der chinesischen Regierung.

Mit ihrem Vorgehen verstößt die KP gegen die eigene Verfassung. Sie garantiert ihren Bürgern in Artikel 36 Religionsfreiheit. Die Partei wird nicht müde zu betonen, dass allein diejenigen mit Repressalien zu rechnen hätten, die im Namen der Religion politische oder separatistische Agitation betrieben.

Larung Gar war davon weit entfernt und damit selbst aus Sicht der KP ein Vorzeigekloster. Von dort gingen nie irgendwelche Proteste aus. Selbst als über 140 Selbstverbrennungen überwiegend in Ost-Tibet die Welt erschütterten, blieb es in Larung Gar ruhig. Die Leitung des Klosters enthielt sich jeder politischen Äußerung.

Es gibt noch eine zweite Botschaft. Die richtet sich an die chinesischen Buddhisten: Auch sie dürfen den buddhistischen Ritualen nur in dem Rahmen nachgehen, den die KP vorgibt. Schlechte Zeiten für Selbstbestimmung, selbst im religiösen Bereich.

 

An der Solidaritätskundgebung in Genf vom Freitag, 16. September 2016

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sprach für die GSTF das Vorstandsmitglied José Amrein-Murer,

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Nationalrätin und Menschenrechtsaktivistin Lisa Mazzone, Mitglied der Parlamentariergruppe für Tibet,

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Thubten Wangchen, Barcelona, Exilparlament-Abgeordneter für Europa, Rebiya Kadeer, Präsidentin des Weltkongresses der Uighuren

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und  uva.

Weitere Bilder: https://www.facebook.com/groups/www.gstf.org/?fref=ts

Kundgebung zur  Zerstörung des Serta Larung Klosters in Tibet.
Tausende von Unterkünften der Mönchsgemeinschaft wurden vor kurzem durch chinesische Behörden dem Erdboden gleich- und unbewohnbar gemacht.

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Die Tibeter Gemeinschaft in der Schweiz & Liechtenstein kooperiert mit der International Campaign for Tibet (ICT) und veranstaltet eine Grossdemo vor dem Gebäude der UNITED NATION in Genf und zwar am 16. September 2016. Wir fordern die UNO auf, an die chinesische Regierung zu appellieren, diese Art des Zerstörungswahns zu stoppen und die Einhaltung der Religionsfreiheit und der Menschenrechte zu respektieren.

Alle Teilnehmer der Kundgebung werden sich um 11.00 h vor dem Palais Wilson treffen und anschliessend zum UN-Gebäude marschieren.

Grosskundgebung für Tibet  11.00 h bis  15.30 h

Weitere Informationen und Details folgen später an dieser Stelle.

Für Kontakte: +41 22 7387940 (info@tibetoffice.ch)  Office of Tibet in Genf.

Wir rufen alle Tibeter und Tibet-Unterstützer auf, an dieser Kundgebung teilzunehmen und sich solidarisch für die Tibeter in Tibet einzusetzen.

Tibeter Gemeinschaft in der Schweiz & Liechtenstein mit der International Campaign for Tibet (ICT)

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